Mehr Tote durch Ärztepfusch ? – Nur eine „reißerische“ Meldung?

Einer Meldung des Statistischen Bundesamtes zufolge soll es im Jahre 2010 wegen verschiedener Zwischenfälle in Kliniken und Arztpraxen zu 1712 Todesfällen gekommen sein. Nach Abzug der Todesfälle, die in keinem Zusammenhang zu einer Behandlung stehen, seien noch 1634 Todesfälle zu beklagen. Die Bundesärztekammer ordnet die Meldung nach - von uns nicht prüfbaren - Medienberichten als reißerisch und ein statisches Phänomen ein.

Unser Kommentar:

Der Ärztepräsident Montgomery verteidigt die Ärzteschaft bei jeder Gelegenheit. Dies ist seine Aufgabe. Wenn aber die Ärztekammer die Veröffentlichung einer Zahl von unter 2.000 Toten durch Ärztefehler tatsächlich als reißerisch bezeichnen sollte, stellen wir uns die Frage, ob nur noch konkrete gesetzliche Vorgaben und Sanktionen – statt die Diskussion mit der Ärztekammer - wirken. Die für uns erstaunliche Sichtweise des Ärztepräsidenten Montgomery zu dem Problem der Krankenhausinfektionen – mit Tausenden von toten Menschen jedes Jahr - war in der ZDF-Sendung „Anne Will“ eindrucksvoll zu verfolgen. Der ernsthafte Wille, die in der Gesamtheit zu hohen Infektionszahlen durch effektive und geeignete Maßnahmen zu verringern, war bei Herrn Montgomery nach unserer Ansicht nicht zu erkennen.

Die vom Bundesamt angegebenen Zahlen sind nicht reißerisch, sie sind fernab der Realität und so überflüssig wie ein Kropf. Der Leser der Pressemeldungen gewinnt den Eindruck, dass „nur“ etwa 1700 Menschen durch ärztliche Fehler sterben. Die Zahlen der Schlichtungskommissionen und Gutachterstellen – etwa 11.000 Beschwerden jährlich und knapp 2.200 festgestellte Fehler – sind ebenfalls nicht aussagekräftig. Aus unserer Erfahrung werden die Schlichtungsstellen häufig dann von Patienten angerufen, wenn die Fehler deutlich hervortreten. Krankenhausinfektionen werden nicht selten fehlerhaft als „schicksalhafte Begleiterscheinung“ eines Eingriffes bezeichnet, wobei es wegen der Inhalte der Satzungen oft zu einer Begutachtung der Fälle durch die aus unserer Sicht ausschließlich für die Fallbeurteilung geeigneten Hygieniker und Mikrobiologen nicht kommt. Häufig sehen die Satzungen der Schlichtungsstellen der Ärztekammern vor, dass der Gutachter dem Fachgebiet des Behandlers entstammen muss. Bei nosokomialen Infektionen und Sepsis-Fällen ist die Begutachtung aus unserer Sicht damit nicht selten nicht zielführend.

Was sollen solche Statistiken ?

In Deutschland ist es aber auch nicht ansatzweise möglich, die Frage zu beantworten, wieviele Menschen im Jahr durch Schlamperei in Kliniken sterben, weil es keine flächendeckend ausreichende Fehlerkultur und kein durchgängig geeignetes Meldesystem gibt. Wer dokumentiert schon gerne die eigenen Fehler ?

Aus unserer Sicht liegt schon alleine die Zahl der durch Hygienefehler mit Krankenhauskeimen infizierten und verstorbenen Menschen um ein Vielfaches höher. Deutschland hat Jahrzehnte gebraucht, um das Infektionsschutzgesetz zu verbessern. Bis heute sieht auch dieses Gesetz – trotz bis zu einer Millionen Krankenhausinfektionen – keine geeignete Kontrolle und Sanktionsmöglichkeit gegen Kliniken vor. Deutschland hat es bis heute nicht geschafft, die Anzahl an Krankenhausinfektionen auf das Niveau der Niderlande zu senken.

Fehlt die Stärkung der Patientenrechte durch ein Gesetz ?

Nein! - Die geltenden Gesetze und deren Ausprägung durch die Rechtsprechung sehen alle Rechte für Patienten vor. Die Diskussion um ein Patientengesetz ist populistischer Natur. Sie verstellt den Blick auf die wesentlichen Probleme, das Gesetz soll die Bevölkerung beruhigen. Auch durch einen Entschädigungsfonds wird kein einziger Patient leichter oder schneller eine Entschädigung erhalten. Eine Entschädigung setzt nämlich nachgewiesene Schuld voraus, ohne diesen Nachweis wird auch ein Fonds kaum zahlen, sonst wird er bei voller Entschädigung jedes Verdachtsfalles nicht bezahlbar sein. Wenn die Schuld nachgewiesen ist, muss die hinter dem Arzt und Klinikträger stehende Haftpflichtversicherung zahlen, ob sie will oder nicht. Sie muss den Patienten dann finanziell so stellen, wie wenn der Fehler nicht passiert wäre und zwar bis auf den letzten Cent. Patienten müssen ihre Rechte nur in geeigneter Form wahrnehmen.

 

RA Dr. jur. Burkhard Kirchhoff
Patientenanwalt

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