"Sparen bei den Reinigungskräften -
Hygienemängel gefährden weiter Patienten"

Der in der Sendung "Kontraste" am 4.10.2012 zur Ausstrahlung gelangte Fall ist hinsichtlich des für die Patientin nachteiligen Verlaufes als "klassisch" zu bezeichnen. Der geplante Interviewtermin mit Patientenanwalt Dr. Kirchhoff konnte aus terminlichen Gründen nicht mehr wahrgenommen werden, sie finden deshalb unseren Kommentar zu Sendung hier:

Der in der ARD-Sendung Kontraste geschilderte Fall entspricht dem "klassischen Strickmuster" vieler nosokomialer Infektionen und resultierender Schädigungen von Patientinnen und Patienten. Generell ist die Gefahr einer vermeidbaren nosokomialen Infektion in einer Klinik immer dann hoch, wenn die Klinikleitung nicht durch Schaffung geeigneter Organisationstrukturen sowie Bereitstellung ausreichender sachlicher und personeller Mittel für eine strikte Umsetzung der gesetzlich im neuen Infektionsschutzgesetz verankerten Krinko-Empfehlungen sorgt.

Die strafrechtliche und schadensrechtliche Verantwortlichkeit kann bei Schädigung des Patienten durch eine Krankenhausinfektion oder fehlerhafter Behandlung dieser Infektion die Konsequenz sein. Krankenhaushygiene ist ein "voll beherrschbares Risiko" - dies aber nur, wenn Kliniken ihren umfangreichen gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen und nicht auf dem Gebiet der Hygiene "sparen, koste es was es wolle".

Die Vergabe von Reinigungsleistungen an externe Dritte befreit die verantwortliche Klinikleitung, den Hygieniker, den Hygienebeauftragten Arzt nicht von der Notwendigkeit der strikten und präzisen Umsetzung der RKI-Richtlinien in allen relevanten Bereichen. Im Streitfall müssen Kliniken darlegen können, dass die Reinigung der OP-Einheiten und die Aufbereitung der Instrumente (manuelle Vorreinigung, Spülung, Sterilisation) durch geeignete, mit den entsprechenden Lehrgängen ausgestattete Fachkräfte erfolgte. Sonst liegen organisatorische Hygienemängel vor, die - abhängig vom Grad ihrer Erheblichkeit - zu einer Beweislastumkehr zu Gunsten des geschädigten Patienten führen können.

Der typische Verlauf der von uns vertretenen Fälle:
Der Patient begibt sich in eine Klinik. Ein Routineeingriff (Hüfte, Schulter, Knie, kardialer stent, Schrittmacher-Implantation usw.) wird vorgenommen oder - wie bei unserer Mandantin im Kontraste Bericht - eine Fraktur nach einem Unfall operativ unter Einbringung von Fremdmaterial - Platten und Schrauben - versorgt. Eingriffe dieser Art sind unter absolut sterilen Bedingungen vorzunehmen, zum Eintrag von Keimen durch die eingebrachten Fremdmaterialien - oder auf sonstigen Wegen - darf es nicht kommen.

Kommt es gleichwohl zu einer nosokomialen Infektion mit Keimen unterschiedlicher Resistenzmuster, so ist höchste Wachsamkeit, schnelle Diagnostik und eine präzise, antibiogrammgerechte Antibiose erforderlich - und zwar mit einem geeignete knochengängigen Antibiotikum. Häufig werden Patienten trotz sekretierender Wunden ohne Diagnostik entlassen, wir erleben immer wieder Fälle, in denen Patienten mit stark eiternden Wunden in Reha-Einrichtungen auftauchen. Abstriche werden vor der Entlassung nicht genommen, engmaschige Röntgenkontrollen zur Vermeidung einer Osteomyelitis erfolgen nicht. Die "Zeitbombe" tickt, die Keime "arbeiten" in der Tiefe des Gewebes weiter, dringen in umliegendes Knochenmaterial ein, das "Unheil" nimmt seinen Lauf.

In vielen Fällen stellen sich Patienten dann - oft nach einem Aufschrei oder Abstrich des Hausarztes oder einer Beschwerde "wo kommen sie denn her ?" der Reha-Einrichtung - in der Klinik wieder vor. Nicht selten wird dann erneut nicht medizinisch präzise agiert sondern die Wunde oberflächlich gespült und ein Antibiotikum eingelegt. Die Keime arbeiten weiter, das Knochengewebe wird angegriffen, der Patient wird - aus unserer Sicht oft viel zu spät - in eine andere Klinik verlegt, man weiß nicht mehr weiter.
Nosokomiale Infektionen sind häufig schwierig zu behandeln, ihre Bekämpfung - bis hin zur Sepsis - erfordert viel Wissen, Erfahrung und eine konsiliarische Betrachtung des Patienten. Nosokomiale Infektionen sind für "Experimente" nicht hinreichend erfahrener oder fachfremder Ärzte nicht geeignet - ärztliche Arroganz ist fehl am Platz und kann tödlich wirken - die Behandlung gehört in die Hände eines Konzils unter Mitwirkung von - falls vorhanden - Krankenhaushygienikern (die "ihre" Keime kennen) und Mikrobiologen. Diese Notwendigkeit gilt nach unserer Erfahrung nicht nur bei septischen Patienten, bei denen vermeidbare Fehler in der antibiotischen Abdeckung immer "grobe Fehler" sind, die einem Arzt nicht unterlaufen dürfen (siehe hierzu das von uns erwirkte Musterurteil des Landgerichtes Lüneburg auf dieser Webseite).

Von hoher Wichtigkeit ist die Kenntnis der Keime, der Resistenzmuster und Antibiogramme der vorbehandelnden Klinik. Nur so kann die Resistenzlage der Keime analysiert und der Patient unter Mitwirkung des nachbehandelnden Orthopäden, Kardiologen, Chirurgen und insbesondere Mikrobiologen und/oder Krankenhaushygienikers geeignet und frei von anwaltlichen Vorwürfen weiterbehandelt werden. Wir erleben immer wieder Fälle, in denen die Übergabe des Patienten nicht funktioniert und in der weiterbehandelnden Klinik auf Änderungen der Resistenzlagen nicht medizinisch adäquat reagiert wird.

RA Dr. jur. Burkhard Kirchhoff
Patientenanwalt

Wilhelmstraße 9
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