Chance vertan - das neue Qualitätsgesetz von Gesundheitsminister Gröhe

Unnötige Kosten statt weniger Infektionen und mehr Qualität

Am 5. Juni hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung beschlossen. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrats und soll in wesentlichen Teilen ab dem 1. Januar 2015 in Kraft treten. Viele Zeitungen berichten auf Seite 1 über die neue gesetzliche Regelung:

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung wird die Gründung eines Instituts zur Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen ermöglicht. Das neue Qualitätsinstitut soll - in Form einer Stiftung und angeblich fachlich unabhängig - dem Gemeinsamen Bundesausschuss dauerhaft wissenschaftlich und methodisch fundierte Entscheidungsgrundlagen für Maßnahmen der Qualitätssicherung liefern.
Auf dieser Basis könnten Maßnahmen ergriffen werden - so meint Bundesminister Gröhe - um vorhandene Defizite zu erkennen und die Behandlung gezielt zu verbessern. Außerdem soll das Institut zur besseren Transparenz über die Qualität der Versorgung beitragen, zum Beispiel durch Qualitätsvergleiche zu Krankenhausleistungen.

Unser Kommentar als Patientenanwälte:

Das Gesetz ist verfassungsrechtlich bedenklich und - leicht erkennbar - nicht geeignet, die intendierten Zwecke zu erfüllen. Das neue Qualitätsinstitut lässt - wie seine "Mutter", der Gemeinsame Bundesausschuss - wegen der massiv unzureichenden Einflussmöglichkeit der Patientinnen und Patienten keine objektive Prüfung struktureller Defizite auf dem Gebiet der Krankenhaushygiene und individueller Mängel und damit auch keine geeigneten Vorschläge erwarten. Das Gesetz wird so wenig bringen wie die - insbesondere von praxisfernen Politikern, Ärzte-Vertretern oder Klinik-Funktionären - gerne öffentlich gelobten Qualitätsberichte der Kliniken. Diese sind in vielen Fällen den Patienten keine Hilfe bei der Beurteilung der Hygiene-Qualität des Krankenhauses. Keine Klinik schreibt hohe Infektionszahlen oder Sicherheitsmängel durch Hygiene-Schlamperei in ihren Qualitätsbericht. Pauschale Behauptungen in Qualitätsberichten sind kein Beweis für gute Qualität und die tatsächliche Umsetzung der Hygiene-Gesetze.

Das neue Institut wird eine Stiftung. Vorstand werden - so steht zu erwarten - die Kassen, die Krankenhausgesellschaft und das Ministerium sein. Es arbeitet dem GBA zu, dieser ist in Deutschland der "Ersatzgesetzgeber" zu für Patienten elementar wichtigen Fragen. Der GBA hat auf dem Gebiet der Klinikhygiene nach dem neuen Infektionsschutzgesetz wichtige Aufgaben, bisher aber nur erkennbar halbherzige Vorschläge unterbreitet, was in Anbetracht der fehlenden Stimmrechte der Patienten und der Zusammensetzung - insbesondere des Einflusses der deutschen Krankenhausgesellschaft - nicht erstaunt. Wir hatten die - mit diesem Gesetz enttäuschte - Hoffnung, dass ein neuer Gesundheitsminister aus den vielen vermeidbar Toten in der Vergangenheit gelernt hat und endlich effektiv handelt, Praktiker der Klinikhygiene außerhalb des Systems fragt und dafür sorgt, dass die geschätzt etwa 600.000 vermeidbaren Infektionsfälle jährlich künftig vermieden werden. Weiter werden jährlich Tausende Menschen vermeidbar ihr Leben lassen müssen, weil der Minister schnell und unüberlegt handelt. Wenn in einem Land viele Kliniken wirtschaftliche Probleme haben und die Zahl der Krankenhausinfektionen oberhalb einer Millionen liegt, muss die Politik geeignete Instrumentarien schaffen. Dazu hätte eine unabhängige Kontrollbehörde mit angegliederter Task-Force nach niederländischem Vorbild gehört, statt ein neues Institut, welches unter maßgeblichem Einfluss der Deutschen Krankenhausgesellschaft definieren soll, was "Qualität" im Gesundheitswesen ist. Der Patient wird auf der Strecke bleiben und die Resistenzen und Infektionszahlen werden zunehmen.

Im "Qualitätsinstitut" und im GBA werden Patienten auch künftig nicht mit Stimmrecht vertreten sein - dies prognostizieren wir. Im GBA haben Patienten - als vor kommerziellen Interessen wirtschaftlich angeschlagener Kliniken schutzbedürftige Gruppe - auch nur ein "Antragsrecht", auf Deutsch formuliert: Nix zu sagen !

Herr Gröhe arbeitet am Thema vorbei, bisherige Qualitätsberichte vieler deutscher Kliniken hätten ihm eine Warnung sein müssen.


RA Dr. jur. Burkhard Kirchhoff
Patientenanwalt

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