Inkompetente und fachfremde Gutachter vor Gericht ?

Das "Märchen" potentiell pathogener Bakterien-Restmengen auf der präoperativ desinfizierten Haut des Patienten:

Immer wieder behaupten in den von uns betriebenen Prozessverfahren Gutachter, auch bei Durchführung einer leitliniengerechten Hautdesinfektion verblieben statistisch auf der Haut noch 0,07 bis 0,7 KBE (kolonie-bildende Einheiten pro cm ²) an Bakterien. Diese These soll augenscheinlich implizieren, auch bei leitliniengerechter Desinfektion der Haut sei ein "erneutes Wachstum" der Bakterien während der Operation nicht vermeidbar. Die angeblich auf der Haut des Patienten - nach der Desinfektion mit PVB-Iod - vorhandene Bakterienmenge führe zu einer Reduktion der Bakterienlast auf der Haut der Patienten um 3,5/Log Stufen.

Die verbleibende Bakterienmenge auf der Haut sei demnach "zwar sehr gering, jedoch größer als Null". Schon während der Operation des Patienten komme es wieder zu einer Vermehrung der Bakterien mit einer "Generationszeit von ca. 20 Minuten". Der Erreger MRSA sei darüber hinaus ein "Keim mit hoher Humanpathogenität", weshalb das Verbleiben einer kleinen Menge von MRSA-Bakterienzellen im Bereich des Operationsschnittes trotz sorgfältiger Desinfektion zu einer späteren Infektion führen könne.

Als Fazit meinen diese - noch dazu der Krankenhaushygiene und Mikrobiologie oft fachfremden Gutachter wie Orthopäden, Chirurgen oder Kardiologen - dann feststellen zu dürfen:

"Dieser Keimeintrag ist trotz Anwendung desinfizierender Kautelen nicht zu verhindern gewesen."

Hierzu ist Folgendes anzumerken:

Wenn man davon ausgeht, dass 3,5 Log Stufen an Keimreduktion erreicht werden und 100 bis 1.000 Bakterien pro cm ² Haut vorhanden sind, ergeben sich folgende Werte:

Bei einer Wundfläche von 0,7 cm² finden sich 700 Bakterien. Die oft in den Prozessen viel zu "dick" angegebene Schnittbreite der Skalpelle lassen wir der Einfachheit halber sogar unberücksichtigt. Bei 3,5 Log Stufen Reduktion durch die Desinfektion bedeutet dies, dass die Bakterien um den Faktor 1.000 bis 10.000 reduziert werden.

Bereits bei einem Faktor von nur 1.000 wären somit alle (!) Bakterien abgetötet, was statistisch einer Zahl von unter 1 entspricht.

Die Behauptung einzelner Gutachter, die Bakterienmenge nach der Desinfektion sei "größer als Null" ist deshalb irreführend und falsch.

Darüberhinaus vermehren sich Bakterien mit der von vielen Gutachtern genannten Generationszeit nur unter optimalen Bedingungen. Auf einer vor einer Operation leitliniengerecht vordesinfizierten Haut findet sich das Gegenteil optimaler Bedingungen.

Wissenschaftlich anerkannt ist auch, dass ein MRSA nicht pathogener ist als ein Staphylococcus aureus, der nicht resistent ist gegenüber Antibiotika.

Deutsche Patienten - und Patienten weltweit - sollten die Feststellungen insbesondere fachfremder Gutachter wie Biologen, Orthopäden und Chirurgen in Kunstfehler-Prozessen hartnäckig hinterfragen, wenn eine Infektion mit dem Hinweis gerechtfertigt wird, auch unter optimalen Bedingungen könne es "immer zu einem Keimeintrag in Wunden" kommen. Fordern sie als geschädigter Patient bei "pseudo-wissenschaftlichem Geschwafel" von Gutachtern nachprüfbare Belege wie Studien. Sie können die Aussagen "ihres" Gutachters im Arzthaftungsprozess dann prüfen.

Gutachter die durch wissenschaftlich nicht haltbare Aussagen dazu beitragen, dass sie ihren Arzthaftungsprozess verlieren, können bei Vorliegen der normierten Voraussetzungen - § 839 a BGB - schadensersatzpflichtig gemacht werden. Der Gutachter muss den Patienten dann selbst so stellen, wie wenn seine falsche Aussage vor Gericht nicht erfolgt wäre.

Kein geschädigter Patient muss sich unvollständige oder inhaltlich falsche Ausführungen eines Gutachters vor Gericht bieten lassen. Auch Gutachter müssen unparteiisch und sorgfältig arbeiten. Sie müssen dem Gericht auch unaufgefordert mitteilen, wenn sie nicht über die erforderliche Ausbildung verfügen, um einem Gericht die Frage beantworten zu können, ob eine nosokomiale Infektion vermeidbar war und eine Klinik die - inzwischen sehr strengen - Hygienegesetze umsetzt.

Manchen Gutachtern scheint es schwer zu fallen, fehlende Fachkompetenz vor Gericht zu offenbaren und ein Gutachten insgesamt oder die Beantwortung einzelner Fragen abzulehnen.

Diese Selbstüberschätzungeines Gutachters kann - bei daraus resultierend ungünstigem Verlauf des Verfahrens eines geschädigten Patienten - zur eigenen Haftung des Gutachters - auf den vollen Schaden des Patienten - führen.

Fazit:

Bei einer adäquaten Desinfektion entsteht eine 3,5 Log Stufen-Reduktion der Bakterien auf der Haut, weshalb es nach dieser Desinfektion niemals zum Eintrag von Bakterien über die Haut des Patienten kommen kann und darf.

Gutachter vor Gericht sollten ihre Grenzen kennen und dem erkennenden Gericht gegenüber offenbaren.


RA Dr. jur. Burkhard Kirchhoff
Patientenanwalt

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