Initiative Infektionsschutz
z. H. Herrn Dr. Helfrich, Dr. Nils Olaf Hübner,
Dr. Dr. Kipp, Prof. Dr. Axel Kramer

Umfrage zum Infektionsschutz in deutschen Krankenhäusern

Sehr geehrte Herren,

als bundesweit auf dem Gebiet der Vertretung nosokomial geschädigter Patienten agierende Anwaltskanzlei habe ich die Ergebnisse Ihrer "Umfrage zum Infektionsschutz in deutschen Krankenhäusern" mit Interesse gelesen.

Ich möchte mir folgende Anmerkungen gestatten:

Aus meiner Sicht fassen Sie die messbaren Qualitätskriterien zutreffend zusammen. Wenn Kliniken im Bereich der von Ihnen unter den Ziffern 1 bis 18 aufgeführten Qualitätskriterien tatsächlich (!) ordentlich arbeiten, dürfte von einer guten Sicherheitskultur in der Klinik auszugehen sein.

Das deutsche Problem besteht aber darin, dass zwar nahezu jede Klinik von sich behauptet, hohe Qualitätsstandards einzuhalten, diese Behauptung aber nicht immer und flächendeckend durch geeignete, objektive Kontrollmechanismen und Sanktionsmöglichkeiten verifizierbar ist.

Die ihnen von den Kliniken unterbreiteten Antworten sprechen Bände, sie wurden dem Anschein nach teilweise angelogen und insoweit ist ihre "Umfrage" von wissenschaftlichem Wert:

Ihre Fragebögen wurden an 1.860 Kliniken versandt und sie haben

229 vollständige Datensätze

erhalten.

Die "magere Ausbeute" an vollständigen Datensätzen nähert sich der geringen Ausbeute der Umfrage unserer Kanzlei vor 10 Jahren.

Das Interesse der Kliniken, Interna zur hygienischen Sicherheitskultur Preis zu geben, ist und bleibt bei vielen Häusern sehr gering. Warum eigentlich, wenn doch nahezu alle Kliniken die KRINKO-Empfehlungen umsetzen ?

Manche Krankenhäuser haben inzwischen erkannt, dass das Argument der Händehygiene immer geeignet ist, um Pflegekräften oder den Patienten oder deren Besuchern den "schwarzen Peter" zuzuschieben.

Über die Wichtigkeit der Händehygiene kann man nicht streiten. Wenn allerdings auf Ihre Frage zur Beachtung der "Leitlinien und Standards für die Händehygiene in ihrem Hause" unglaubliche

99%

der befragten Häuser mit "Ja" antworten und damit eine strikte Beachtung der Leitlinie für die Händehygiene behaupten, so zeigt sich aus meiner Sicht die teilweise unehrliche Beantwortung.

Sie stellen auch fest, in 97% der Häuser gebe es "festgelegte Standards für Meldewege" bei Ausbrüchen. Sind dabei die allgemeinen Hinweise des RKI gemeint oder individuell und klinikbezogene Ausbruchsmanagement-Pläne, die jede deutsche Klinik dem Patienten schuldet ?
Unserer Erfahrung nach fehlen teilweise nicht nur konkrete Pläne bei Ausbrüchen sondern manchmal werden Ausbrüche weder erkannt noch gemeldet.

Wir wundern uns auch nicht, wenn "91% der Häuser" eine Hygienekommission haben wollen, die durchschnittlich 3 Mal im Jahr tagt. Sie wissen, dass die Qualität der Arbeit von Hygienekommissionen sehr unterschiedlich ist und auch die angegebene "regelmäßige Auswertung der Hygienedaten durch 94% der Häuser" Fragen zur wahrheitsgemäßen Beantwortung aufkommen lässt.

95% der teilnehmenden Kliniken haben Ihnen gegenüber scheinbar angegeben, dass "Mitarbeiter regelmäßig Weiterbildungen zum Thema Hygiene erhalten". Gleichzeitig wird bestätigt, dass die "Bereitstellung der Hygieneregeln für die Mitarbeiter" über das "Intranet" erfolgt, 96% haben dies bestätigt.

Wir empfinden ihre Fragen an die Kliniken insgesamt als sehr unkonkret, was bedeutet "regelmäßig"? Wichtig wäre die präzise Beantwortung der Frage, ob Schlussfolgerungen gezogen werden.

Warum fragen sie nicht konkreter, um wissenschaftlich weiterführende Erkenntnisse für die deutschen Patienten gewinnen zu können ?

Die deutlichste Antwort auf Ihre "Umfrage" ist die Antwort, die auch wir vor einigen Jahren von der Vielzahl der deutschen Kliniken erhalten haben:

229 vollständige Datensätze bei 1.860 Krankenhäusern sind sehr wenig. Die Mehrzahl der deutschen Kliniken scheint ihnen und uns keine Auskünfte geben zu wollen, und dies selbst bei wenig konkreten Fragen zur hygienischen Sicherheitskultur. Dies ist für sich ein Skandal, denn sogar viel detailliertere Auskünfte werden den Patienten nach dem neuen Infektionsschutzgesetz von jeder Klinik geschuldet. Der Gesetzgeber in Deutschland muss analog der niederländischen task force endlich ein objektives, wegen der überragenden Bedeutung auf Bundesebene anzusiedelndes Kontrollgremium schaffen.

Eine Bestandsaufnahme jeder einzelnen deutschen Klinik zu den elementaren Qualitätskriterien muss erfolgen und von einem objektiven, neutralen Sachverständigen bescheinigt werden.

Umfragen der von Ihnen durchgeführten Art helfen aus meiner Sicht nicht wesentlich weiter, denn es sind keine anderen Ergebnisse zu erwarten.

Die angegebenen Zahlen liefern keine Hinweise für die Sicherheitskultur der teilnehmenden Häuser. Wenn sie anderer Ansicht sind, sehe ich ihrer Stellungnahme gerne und mit Interesse entgegen.

Noch eine Frage:

In den aufgestellten Qualitätskriterien finden sich überhaupt keine Instrumentarien einer externen, unabhängigen und mit Sanktionsmöglichkeiten ausgestatten Kontrolle der Kliniken.

Wieso ?

Gehen sie davon aus, dass die deutschen Kliniken ohne geeignete, externe Kontrollen und notfalls harte Sanktionen durch ein neues Kontrollsystem die KRINKO Empfehlungen und die Inhalte Ihres Positionspapiers ausnahmslos umsetzen?

Die aktuellen Zahlen der nosokomialen Infektionen in Deutschland beweisen das Gegenteil. Wenn man annimmt, dass Autofahrer die Geschwindigkeit in der Ortschaft immer und ausnahmslos einhalten, auch wenn nicht "geblitzt" wird, wird die Zahl der Unfälle weiter steigen. Ohne Steuerfahndung wird nicht jeder seine Steuern voll zahlen oder sind Sie anderer Ansicht?

In Deutschland fehlt es nicht an Gesetzen und Verordnungen und insoweit gibt es auch wenig Nachbesserungsbedarf. Es fehlen effektive und unabhängige Kontrollen und Sanktionen und eine Sonderzuständigkeit der Staatsanwaltschaften für Infektionsfälle und Opfer nosokomialer Infektionen analog der Generalstaatsanwaltschaft für Abrechnungsbetrug in Frankfurt.

Mit freundlichen Grüßen


Dr. jur. Burkhard Kirchhoff
R e c h t s a n w a l t

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