Deutschland verfügt über inzwischen bis zu 1,2 Millionen Krankenhausinfektionen
pro Jahr. Der Gesetzgeber hat gehandelt und im Infektionsschutzgesetz neuer Fassung
- § 23 eine überfällige Beweisvermutung zu Gunsten der Patienten
aufgestellt, nach der die Einhaltung des medizinischen Standards in einer Klinik
nur noch vermutet wird, wenn die KRINKO-Empfehlungen eingehalten sind. Der
praktischen Dimension des Problems der Krankenhausinfektionen steht eine problematische
Rechtsprechung einzelner Gerichte in Deutschland gegenüber. Von vereinzelten
deutschen Instanzgerichten wird konkreter Vortrag zu hygienischen und mikrobiologischen
Defiziten in den jeweiligen, konkreten Einrichtungen als unerheblich,
nicht hinreichend oder unsubstantiiert abgetan. Urteile
werden entgegen der gesetzlichen Verpflichtung in § 407 a der Zivilprozessordnung
Sachverständige müssen als erstes prüfen, ob der jeweilige
Auftrag in ihr Fachgebiet fällt ohne eine gesetzeskonforme und
fachlich qualifizierte Beratung der Gerichte durch Fachärzte der Krankenhaushygiene
als Sachverständige gefällt. Dahingehende Beweisanträge
der Mandanten unserer Kanzlei werden teilweise mit rechtlich fehlerhaften Begründungen
zurückgewiesen. Statt dessen beauftragen diese Gerichte dann Orthopäden,
Kardiologen oder Chirurgen - in Verkennung der Rechtslage - mit der Beantwortung
krankenhaushygienischer und mikrobiologischer Fragestellungen komplizierter Art,
obwohl diesen fachfremden Ärzten die für die Beantwortung der Frage
der Einhaltung der Hygiene-Verpflichtungen nach InfschG, KRINKO und Landesverordnung
erforderliche Qualifikation häufig fehlt. Das Resultat dieser Vorgehensweise
Beauftragung fachfremder Gutachter sind manchmal Beweisaufnahmen
über den langen und qualvollen Sepsis-Tod von Patienten mit krankenhaushygienischem
und mirkobiologischem Kreisliga-Niveau. Der Verlauf dieser Beweisaufnahmen
mit oberflächlichen bis hin zu medizinisch grob falschen Ausführungen
von Sachverständigen sind der deutschen Justiz teilweise unwürdig.
Die Schutzqualität des Infektionsschutzgesetzes für einzelne Patienten
wird zu Gunsten von Kliniken von einzelnen Gerichten immer wieder
fehlinterpretiert und die gesetzlichen Regelungen zu betrieblich-organisatorischen
und baulich-funktionellen Anforderungen der Krankenhaushygiene in deutschen Kliniken
werden durch die fehlerhafte Rechtsprechung einzelner Gerichte juristisch ausgehebelt,
teilweise ignoriert. Parteivortrag geschädigter Patienten und entsprechende
Beweisanträge auf Überprüfung der Hygienestruktur in einer Klinik
und des Grades der Umsetzung der KRINKO-Empfehlungen werden gelegentlich kurzer
Hand zurückgewiesen. Ein von uns vertretener Fall wurde mit Verfassungsbeschwerde
vom 22.10.2013 dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Entscheidung vorgelegt.
Gegenstand des Verfahrens unsers jungen Mandanten ist eine nosokomiale Infektion
mit zum teil aggressiven, hoch resistenten Keimen nach einer Bauchoperation.
Das Landgericht Paderborn hatte in dem Verfahren einen chirurgischen
Sachverständigen beauftragt und keinen Facharzt für Krankenhaushygiene
und Mikrobiologie. Wir haben diesem Vorgehen mehrfach heftig widersprochen.
Das Berufungsgericht Oberlandesgericht Hamm hielt einen chirurgischen
Sachverständigen ebenfalls für ausreichend befähigt. Dieser könne
auch die Frage beantworten, ob bei der Behandlung die Hygienevorschriften eingehalten
wurden. Die Einschaltung von Sachverständigen sonstiger Fachgebiete sei erst
angezeigt, wenn es um die Folgen festgestellter Behandlungsfehler gehe. Der
sodann im Verfahren beauftragte Chirurg ließ sogar selbst erkennen, dass
er die Hinzuziehung eines Zusatzgutachters für Hygiene und Mikrobiologie
für erforderlich hielt. Diese Selbsteinschätzung interessierte das Oberlandesgericht
ebenfalls nicht. Dies obwohl das Landgericht noch die Einbeziehung eines Facharztes
für Hygiene freigestellt hatte. Die Hinzuziehung eines Zusatzgutachters für
Hygiene scheiterte teilweise, da so der chirurgische Sachverständige
ein adäquater Gutachter nicht zur Verfügung stand.
Das
Verfahren wurde auf der Basis der hinsichtlich der Krankenhaushygiene und Mikrobiologie
fachfremden Ausführungen eines Chirurgen gegen unseren Mandanten entschieden.
Dem Oberlandesgericht Hamm sind Zweifel an der Fachkunde des gerichtlichen Sachverständigen
trotz konkreter Einwendungen des geschädigten Patienten und der Hinweise
des chirurgischen Gutachters selbst nicht gekommen. Innerhalb des Verfahrens
ist es zumindest bisher trotz des vom Bundesverfassungsgericht seit Jahrzehnten
geforderten Gebotes der Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess nicht zu
einer Prüfung der strukturellen Hygiene der Klinik und damit der Einhaltung
der Hygienegesetze und der KRINKO-Empfehlungen gekommen. Das Vorgehen
einzelner Gerichte bei Fällen nosokomialer Infektionen ist weder mit dem
Recht des Patienten auf ein faires Verfahren, noch mit dem Rechtsstaatsprinzip
in Verbindung mit dem Freiheitsrecht des Patienten vereinbar. Wenn konkreter Sachvortrag
von Patienten zu Fehlern im Rahmen der Umsetzung der KRINKO-Empfehlungen oder
der Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes durch deutsche Kliniken nach der Infektion
eines Patienten mit einem resistenten Bakterium von Gerichten einfach ignoriert
und nicht zur Kenntnis genommen wird, sieht sich der Patient vor unüberwindbaren
Schwierigkeiten der Beweisführung. Wenn diese Rechtsprechung höchstrichterlich
abgesegnet wird, käme dies einem Sonderrecht für Kliniken gleich. Gesetze
müssen alle einhalten auch und wegen der Schutzpflicht für den
Patienten in besonderem Maße die Kliniken. In Anbetracht der wiederkehrenden
Berichterstattungen in den Medien über Hygienemängel in Kliniken und
Häufungen von Todesfällen sowie mehr als eine Millionen Krankenhausinfektionen
in Deutschland bei gleichzeitig immer prekärerer Finanzlage einiger
Häuser - ist zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht die Instanzgerichte
auf ihre Pflichten und die Rechte des bei Krankenhausinfektionen in hohem
Maße in Beweisnot befindlichen und schützwürdigen Patienten
hinweisen wird. Sollte dies nicht geschehen, werden die schwarzen
Schafe der Krankenhaushygiene unbewusst durch die Judikative geschützt.
Diese schwarzen Schafe müssten dann weiterhin nicht befürchten, dass
es zu einer Überprüfung ihrer Hygienestruktur durch fachlich geeignete
Fachärzte für Hygiene innerhalb der Schadensersatzverfahren kommt.
Deutsche Kliniken habe es nicht einfach aber auch eine starke Lobby.
Von der höchstrichterlichen Justiz erwarten geschädigte Patienten richterliche
Unabhängigkeit und daraus folgend klare Vorgaben für die Instanzgerichte.
Wenn selbst nach konkretem Sachvortrag innerhalb gerichtlicher Verfahren die Einhaltung
der KRINKO-Empfehlungen nicht durch Fachärzte oder Hygieniker geeignet überprüft
wird, besteht weiter die Gefahr, dass die Kliniken die KRINKO-Empfehlungen nicht
umsetzen und tausende Menschen jährlich in Deutschland vermeidbar an Krankenhausinfektionen
versterben.
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