Ein "Lehrstück" für kaufmännische und medizinische Klinikleiter in Deutschland:

"Klebsiellen Oxa 48" Ausbruch mit Carbapenem-Resistenz in niederländischer Klinik bewältigt - 28 Todesfälle von Patienten untersucht!

Das für einige deutsche Kliniken lehrreiche Gutachten der "Kommission Wahrheitsfindung" - in der Übersetzung durch EurSafety Health-net - mit Empfehlungen für Kliniken und wissenschaftliche Vereinigungen liegt uns vor. Eine Kommentierung unter Wiedergabe der ausgesprochenen Empfehlungen finden sie hier (Link auf Text unten)

In Deutschland wird es aufgrund der immer noch fehlenden flächendeckend effektiven Kontrollen der Krankenhaushygiene auch nach dem Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes wieder zu Ausbrüchen von Krankenhausinfektionen mit vermeidbaren Todesfällen kommen. Es wird auch - so befürchten wir - halbherzige Versuche betroffener Krankenhäuser geben, Ausbrüche nach Todesfällen aufgrund einer fehlenden krankenhaushygienischen Sicherheitskultur schonungslos, objektiv und damit von Auftraggebern wirtschaftlich und sachlich unabhängig aufzuarbeiten. Diese "schonungslose und unabhängige" Prüfung durch externe Experten mit Veröffentlichung ist aber erforderlich, wenn eine Klinik bei fehlender Sicherheitskultur nach einem Ausbruch mit vermeidbaren Todesfällen Wiederholungen ausschließen und eine "sichere Klinik" werden will.

Wenn es in einem Krankenhaus zu einem Ausbruch nosokomialer Infektionen kommt, wird dieser Ausbruch nicht selten zu spät erkannt. Zum Teil wird zunächst auch versucht, das "Problem" unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit einem "hygienebeauftragten Arzt" oder extern beraten selbst und heimlich in den Griff zu bekommen. Bekannt werden halbherzige und gefährliche Vertuschungsversuche im Sinne der Aufrechterhaltung der OP-Einheit oder einer Station, wenn die Keime "ihren Weg" machen, über längere Zeiträume Patienten töten und "die Sache" mediale Aufmerksamkeit erregt.

Unsere zentrale Forderung:

Auch in Deutschland müssen nach Häufungen von Krankenhausinfektionen in einer Klinik und/oder Todesfällen ebenfalls geeignete "Kommissionen Wahrheitsfindung" gebildet werden. Täuschung, Vertuschung, halbherzige und krankenhaushygienisch unzureichende Bewältigungsversuche sowie das Auftreten von durch eine Klink gut bezahlten "Experten", um schnelle "Resultate" und angebliche Ursachen zu präsentieren, müssen ausgeschlossen sein. Wenn Ausbrüche nicht effektiv und schnell bekämpft oder diese nach Beendigung nicht geeignet untersucht werden, um eine Sicherheitskultur zu schaffen, entstehen Gefahren für Patienten. Wer als Verantwortlicher halbherzig aufklärt, riskiert viel.

Eine Kommission Wahrheitsfindung muss absolut neutral, objektiv und fachkundig sein. Sie muss die Klinik bei einem Ausbruch sofort aufsuchen und - wie Prof. Dr. Popp nach den Todesfällen im Klinikum Bremen Mitte oder die externen Experten in Holland notfalls schonungslos und ohne Rücksicht auf eine im ungünstigsten Fall an Vertuschung, Schadensbegrenzung und Aufrechterhaltung der Umsätze interessierte Geschäftsführung aufklären.

Im Bericht der Kommission Wahrheitsfindung zu dem Oxa 48 Ausbruch in Rotterdam ist für jeden Geschäftsführer und medizinischen Leiter einer deutschen Klinik nachzulesen, was geschehen kann, wenn auf Carbapenem-resistente Bakterien nicht schnell, fachlich kompetent und effektiv genug reagiert wird.

Nachzulesen ist auch, welche Fehler eine Klinik bei der Krisenbewältigung eines Ausbruches vermeiden kann und welche Schlußfolgerungen für Kliniken zu ziehen sind, um zu lernen und Todesfälle zu vermeiden.

Die holländische Experten-Kommission hat Empfehlungen der betroffenen Klinik gegenüber ausgesprochen. Deutsche Krankenhäuser sollten prüfen, ob sich die eigene Hygienestruktur an diesen Empfehlungen messen lassen kann oder die Empfehlungen umsetzbare Verbesserungs- vorschläge enthalten:

1. Zusammenarbeit LMM (Labor für Medizinische Mikrobiologie) und Abteilung
Infektionsprävention

a. Legen Sie fest, dass der Arzt für Mikrobiologie die Leitung über die Hygienefachkräfte
erhält, vorzugsweise durch die Integration beider Abteilungen.
b. Legen Sie die Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Befugnisse beider Abteilungen fest
und beachten Sie dabei vor allem die Abgrenzung der Aufgaben.
c. Regeln Sie die Aufgaben und die Arbeitsweise der Infektionskommission in einem Reglement;
halten Sie darin auch fest, wie und wem die Infektionskommission Rechenschaft
ablegt.
d. Für den Vorstand: Sprechen Sie die "Vereniging Medische Staf" (Verband Medizinischer
Stab) wegen einer Teilnahme an wichtigen Kommissionen an.
e. Beachten Sie auch den Status einer Empfehlung der Abteilung Infektionsprävention bzw.
des Arztes für Mikrobiologie; Ausgangspunkt dabei ist, dass eine Empfehlung bindend
ist und dass im Falle eines Konflikts in Bezug auf die Empfehlung dies dem Vorstand
vorzulegen ist. Fordern Sie, dass Empfehlungen immer dokumentiert werden.
f. Erstellen Sie einen Arbeitsplan über die "Vorgehensweise im Falle eines (Verdachts eines)
epidemischen Ausbruchs". Legen Sie darin fest, wer wann welche Schritte unternimmt
und wer wann informiert werden soll.

2. Klinische Funktion des Arztes für Mikrobiologie
Legen Sie in der Zulassungsvereinbarung fest, dass der Arzt für Mikrobiologie im Krankenhaus
anwesend ist (auch im Falle einer Erweiterung durch Fusion von Laboratorien).

3. Gewährleistung Qualität und Sicherheit:
a. Bauen Sie eine Qualitäts- und Sicherheitskultur im Krankenhaus auf. Gehen Sie mit gutem
Beispiel voran und machen Sie deutlich, dass Kommunikation untereinander im Interesse
aller sehr wichtig ist. Machen Sie deutlich und auch sichtbar, dass Versorgungsqualität
und -sicherheit höchste Priorität haben.
b. Sorgen Sie dafür, dass Mitarbeiter, die Unregelmäßigkeiten aufdecken, diese sicher
melden können und dies auch tun; nicht, um andere schlecht zu machen, sondern im
Interesse der Sicherheit. Implementieren Sie einen Informantenschutz.
c. Führen Sie in regelmäßigen Abständen interne (und sofern erforderlich externe) Audits
durch, bei denen pro Abteilung die Arbeits- und Versorgungsprozesse systematisch
ausgewertet werden. Erstellen Sie auf Basis der gefundenen Probleme Aktionspläne und
überprüfen Sie in einem nächsten Audit, ob die Verbesserungen auch tatsächlich umgesetzt
wurden und das gewünschte Ergebnis erbringen. Gründen Sie dazu ein internes
Qualitätsinstitut, dass das Auditsystem koordiniert und daneben Daten über Patientensicherheit
und Versorgungsqualität sammelt, analysiert und diese Daten dem Vorstand
und den Abteilungsleitern vorlegt, damit diese ihre Verantwortung in die Tat umsetzen
können. Involvieren Sie darin ausdrücklich auch die Fachärzte und das Pflegepersonal.
Integrieren Sie die Beschwerdebearbeitung in dieses Institut.
d. Legen Sie fest, dass jede Abteilung/Versorgungseinheit regelmäßig Rechenschaft ablegt
und dokumentieren Sie dies. Verpflichten Sie die Fachärzte zur Teilnahme an IFMS (Individuelles
Funktionieren Medizinischer Spezialisten) und sorgen Sie für eine Rückkopplung
der Ergebnisse an den Vorstand. Regen Sie an, dass Vorstand und Medizinischer Stab
gemeinsam Beurteilungsindikatoren für Fachärzte festlegen. Legen Sie fest, dass jeder
Facharzt auf der Basis dieser Indikatoren regelmäßig Rechenschaft gegenüber dem
Vorstand ablegt und beurteilen daraufhin Sie das Funktionieren der im Krankenhaus
tätigen Fachärzte.
e. Verwenden Sie Leistungsindikatoren primär, um daraus zu lernen. Achten Sie darauf,
dass die Leistungsindikatoren sämtliche relevanten Prozesse abdecken, auch die pflegeunterstützenden
Prozesse.
f. Legen Sie fest, dass Qualität und Sicherheit ein fester Tagesordnungspunkt
bei den Sitzungen des Aufsichtsrats sind. Legen Sie in einem Informationsprotokoll
fest, welche Informationen dem Aufsichtsrat regelmäßig vorgelegt
werden, damit dieser seine aufsichtführende Funktion gut erfüllen kann

4. BRMO-Richtlinie: Feststellung eines "Ausbruchs"
Legen Sie in der BRMO-Richtlinie fest, dass bei der Feststellung von BRMO (Besonders
Resistente Mikroorganismen) eine gezielte Untersuchung nach dem Stamm/dem Typ durchgeführt
werden muss, um so feststellen zu können, ob es sich um einen epidemischen
Ausbruch handelt.

5. Meldepflicht BRMO und Mitarbeiterverpflichtung LMM
a. Nehmen Sie für Bakterien, die eine Carbapenem-Resistenz entwickeln, eine explizite
Meldepflicht in Gruppe C des niederländischen Gesetzes für Öffentliche Gesundheit auf.
b. Erweitern Sie die Meldepflicht über die GGD (Gesundheitsämter) hinaus aus auf das CIb/
RIVM (Zentrum zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten/Reichsinstitut für Volksgesundheit
und Umwelt). Beziehen Sie die NVMM (Niederl. Vereinigung für Med. Mikrobiologie)
in die Durchführung mit ein.
c. Machen Sie die Teilnahme an der nationalen Überwachung von BRMO zur Pflicht für
Krankenhäuser und LMM.
d. Erteilen Sie dem CIb die Befugnis, spezielle mikrobiologische Untersuchungen an Referenzlabore
zu vergeben.

6. Besinnung auf Staatsaufgaben in Zusammenhang mit der Zunahme multiresistenter
Bakterien
Die Problematik rundum multiresistente Bakterien wird in den kommenden Jahren zunehmen,
während die verfügbaren Mittel für Versorgungsleistungen immer geringer werden.
Der Staat sollte sich auf die daraus hervorgehenden Risiken und auf die Aufgabe des Staates
in dieser Angelegenheit besinnen.


RA Dr. jur. Burkhard Kirchhoff
Patientenanwalt

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